19 August 2012

Sarajevo


Langerhoffter Regen
Nachmittags pflegen wir den bosnischen Brauch des Kaffe trinkens. Das macht hier jeder täglich drei Mal. Doch davor wird ein Bisschen die Stadt erkundet. Und die ist wirklich wunderschön! Ich fühle mich ein Bisschen wie in meiner Heimatstadt Thale. Sarajevo ist von hohen Bergen umgeben und durch die Mitte fließt der Fluss Miljacka. Nur leider hat sie fast kein Wasser. Vorgestern hat es jedoch das vierte Mal seit Anfang Mai geregnet und seit dem ist das Wasser sogar hörbar am plätschern. Eines Abends sind wir einen Berg ein Stückchen hoch gegangen und habendie ganze Stadt erblicken können.


Da die Stadt lang und schlank ist können wir uns auch schon gut orientieren...und oxidentieren…Zugegebenermaßen ein unheimlich schlechter Witz, aber er passt gut, weil sich hier Orient und Oxident begegnen und eine interessante Mischung ergeben. Das kommt daher, dass Bosnien ethnisch gesehen ein sehr bunt gemischtes Land ist, das sich aus 48% Bosniaken (Bezeichnung für muslimische Bosnier, klingt meiner Meinung nach abschätzend, soll es aber keineswegs sein), 37% Serben, 14% Kroaten und mehreren Minderheiten, wie z.b. den Roma, zusammensetzt. Das hat wiederum geschichtliche Hintergründe, die aber zu komplex sind, um sie nebenbei erwähnen zu können. Dieses Multikulti wird vorallem in der Innenstadt deutlich. Dort befinden sich im Umrekis von 100m² eine katholische Kathedrale, eine jüdische Synagoge, eine orthodoxe Kirche und eine Moschee.


wortwörtlich der Taubenplatz
Für die orientalische Note ist vor allem die Bašcaršija (der alte Basar in der Altstadt) verantworlich, die aus der Zeit des osmanischen Reiches stammt (15. Jh.). Sie ist zu jeder Tageszeit gefüllt und versprüht eine unheimlich fröhliche Stimmung.
Wunderschön! Hier findet man auch das Wahrzeichen der Stadt, den Taubenplatz mit Trinkbrunnen, ohne den wir wahrscheinlich verdursten würden. Hier begegnet man auch gehäuft dem Islam. Neben zahlreichen hübschen Moscheen (die ich leider aufgrund meiner Sommerkleidung noch nicht besichtigen konnte) gibt es viele Frauen mit Kopftüchern und langen Gewändern, die ich bei diesen Temperaturen nicht beneide. Zudem erklingen fünf Mal täglich in der ganzen Stadt die Gebete. Gerade ist Ramadan, die Fastenzeit der Muslime, sprich der Monat in dem der Koran verfasst wurde.  "Da ist nicht so viel los in der Stadt", sagt man. Doch ich empfinde Sarajevo jetzt schon als ziemlich belebt. Umso gespannter bin ich, was hier wohl  ab Sonntag"abgehen" wird. Denn dann wird erst einmal drei Tage lang Bajram, das Ende des Ramadans, gefeiert. Schon seit mehreren Tagen werden große Feste und Festmahle vorbereitet.


Sarajevo im Sonnenuntergang
Während des Ramadans dürfen sie, solange die Sonne auf ist, nichts essen und trinken. Gegen 20:30 Uhr geht sie dann unter, woraufhin durch die ganze Stadt ein lauter Knall erschallt. Auf einem Schlag kriechen die Ameisen aus ihren Löchern, weil sie Nahrung wittern. Zu dieser Tageszeit fühle ich mich dort am wohlsten, denn dann sind alle ausgelassen fröhlich. Es ist uns auch schon passiert, dass wir gefragt wurden, ob wir ab Sonnenuntergang jemanden unseren Sitzplatz übergeben können, weil es sehr schwer ist, nach Sonnenuntergang überhaupt etwas zu finden.




Bosanska kafa
Auch von der bosnischen Esskultur habe ich schon viel Bisschen kennengelernt. So hatte ich schon Kontakt mit bosnischem Kaffee, der in einem hübschen Metallkännchen serviert wird und anschließend in ein Porzellanschälchen mit Zuckerwürfeln gegossen werden muss. Dazu gibt es immer ein Stückchen türkischen Honig, einer Art festem Gelee, das nach nichts weiter außer Zucker schmeckt. Das Ganze hat dann aus einer Hälfte Kaffeesatz und einer Hälfte flüssigem Kaffee bestanden, weshalb wir uns auch nicht so sicher waren, ob der Kaffeesatz mitzuessen ist. Also haben wir ihn ausgelöffelt… Das war weder genüsslich noch richtig. Doch man muss alles ausprobiert haben.



Ich liebe Pita
Jedenfalls würde ich das gerne, wenn da nicht das Vegetarierproblem wäre. Denn die bosnische Küche scheint genauso fleischlastig wie die deutsche zu sein. An jeder Ecke gibt es hier Ćevapčići und Burek. Ćevapčići besteht aus Fleischröllchen, welche in Fladenbrot (das französische Baguette der Bosnier, sprich das, was man zu allem ist) und einer grooßen Menge an Zwiebeln serviert wird. Burek besteht aus Gehacktem, welches in Teig eingerollt wird, was dann wie ein Darm aussieht und anschließend zu einer Schnecke zusammengerollt wird. Davon gibt es zum Glück auch diverse vegetarische Varianten, genannt Pita. Das gibt es hier an jeder Ecke mit Käse, Spinat und Feta oder einfach mit Kartoffeln. Pita ist momentan mein Grundnahrungsmittel und ist einfach nur köstlich.Die Organisation, in der wir untergebracht sind hat uns eines Abends zum Essen nach dem Sonnenuntergang eingeladen. Als wir aufgestanden sind haben sie angefangen zu kochen und erst aufgehört, als die Sonne untergegangen war. Das ganze Haus hat wundervoll gerochen, weshalb ich mich so darauf freute.

Natürlich gab es dann fast nur Fleisch. Ich habe mich also von Kartoffelbrei, Kartoffeln, Soße, Fladenbrot und suuper süßem Kuchen ernährt. Sogar ich, die gebürtige Kuchenesserin, hat nach zwei Stückchen nichts mehr Essen können. Denn wenn die Bosnier etwas Süßes essen, dann wird das auch mehr als nur süß. Dass wir uns das gaze als langen gemütlichen Abend vorgestellt hatten war auch eher ein Trugschluss. Menschen, die den ganzen Tag lang weder gegessen noch getrunken haben sind viel zu ausgehungert um sich beim Essen der Muße und Gemütlichkeit hingeben zu können. Also kam das Ende leider schneller als gedacht.

17 August 2012

Dobar Dan


Ja sam Johanna, volonterka iz Njemačke i učim bosanski jezik u Sarajevu.
(Guten Tag, ich bin Johanna, eine Freiwillige aus Deutschland und lerne in Sarajevo die bosnische Sprache).
Und ich muss sagen, das klappt ganz gut! Dass ich eine Fremdsprache (Bosnisch) auf einer Fremdsprache (Englisch) lerne fällt mir währenddessen nicht auf. Es ist genauso wie auf Deutsch, nur ganz selten fehlt mir mal ein Wort.




Jetzt kann ich bereits....

...alle möglichen Grußformeln, inklusive Smalltalk (Wie geht es dir usw.), kann Einkaufen gehen, alles Mögliche von Zucchini bis Maulbeere bestellen, bis 999.999 zählen, Verben konjugieren, mich über die Uhrzeit unterhalten, Wochentage, Tageszeiten, Farben Kleidungsstücke usw...

...es steht jeden falls in meinem Vokabelheft, welches auf Seite 61 angekommen ist. Der Rest steht auf den 30 Blättern. Nein, wirklich, in der Stadt verstehe ich schon ab und zu ein paar Sachen und kann vieles bestellen. Ich bemühe mich mir vieles zu merken, aber alles auf ein Mal ist zu viel. Der Sprachkurs soll uns eher eine Grundlage schaffen und diesen Zweck erfüllt er. Auf jeden Fall bekomme ich langsam ein Gefühl für die Sprache. Die ist auch gar nicht so schwierig. Es ist nur bewundernswert, wie viele Konsonanten man aneinander reihen kann, sodass es dennoch ein Wort ergibt, wie zB. das Wort četrvtak (Donnerstag). Manche Wörter kommen sogar ganz ohne Vokal aus, wie Prst (Finger / Zeh).

Ganz spannend sind auch all die verschiendenen Buchstaben:
- č (wie "tsch")
- ć (wie č, also wie tsch, nur anders)
- dž (wie dsch)
- đ (ausgesprochen wie dž , also wie dsch nur anders)
- š (wie sch) und
- ž (wie š, also wie sch, nur weicher)

Noch amüsanter sind die eingedeutschten Wörter wie
- veš mašina (Waschmaschine),
- ofinger (Aufhänger, also Kleiderbügel) oder
- rajsferšlus  (Reißverschluss)

Falls uns dennoch langweilig wird kommen dann Phillips Fragen nach Wörtern wie Russenmütze.
Also sollte es gar nicht so langweilig werden. Dennoch sind wir jeden Tag unglaublich müde. Unsere viel zu nette Lehrerin fragt uns dann jeden Tag:
"Je ste li vi umorni danas?" (Seid ihr heute müde?)
"Jesmo" (Ja, sind wir.)
"Pauza?" (Pause?)
"Da." (Ja.)

Daher gibt es viele viele Pausen, in denen wir uns dann immer noch mal schnell ins Bett legen.
Ab um 1 ist der Unterricht vorbei. Dann heißt es immer: "So Leute, heute lernen wir erstmal Vokabeln bevor wir in die Stadt gehen". Anschließend werden die Vokabelhefte herausgeholt, aufgeschlagen, zugeschlagen und es wird gesagt "Eigentlich reicht es, wenn wir uns morgen früh alles durchlesen" Morgens stehen wir dann so auf, dass wir es gerade schaffen uns anzuziehen und zum Sprachkurs zu gehen. Dann fängt alles wieder von vorne an.

11 August 2012

Zugfahrt

- Schlafabteil mit Lina und Philipp -
Auch die Zugfahrt wurde ziemlich spannend. Zum Glück war ich nicht alleine, sondern hatte Lina und Philipp, der bezüglich unseres schweren Gepäcks unseren starken Held spielen durfte, bei mir.
Von München nach Zagreb sollte es einen Schlafzug geben. Nachdem wir den Wagen am Bahnhofsteil E, sprich einige hundert Meter weiter hinten, gefunden hatten, mussten wir dann feststellen, dass in ein normales IC- Abteil 6 Betten gequetscht waren. Nach einigem Puzzlen hatten wir unser Gepäck mehr oder weniger untergebracht und konnten ein wenig schlafen.
Morgens gab es schließlich die erste Passkontrolle and der kroatischen Grenze und mit ihr auch den ersten Schock. Wo war Philipps Reisepass? Waswürde passiert, sollte er ihn vergessen haben? Natürlich war er dann - wie kann es anders sein - doch im Rucksack. Zur Beruhigung konnte wir anschließend durch eine wunderschöne Landschaft in den Sonnenaufgang hineinfahren. 
- Sonnenaufgang -
Dann kam die nächste spannende Frage: Ist es möglich innerhalb von 14 Minuten in der kroatischen Hauptstadt Zagreb Tickets nach Sarajevo zu kaufen und mit viel Gepäck umzusteigen? Natürlich nicht. Also hatten wir das Vergnügen über ein Dorf zu fahren. Dort saßen wir  dann erst einmal  mit unseren Sonnenbrillen einige Zeit wie in einem Westernfilm in der Pampa, umgeben von Feldern, sängender Hitze auf den Schienen und einem großen Nichts. Wie versprochen begrüßte uns der Balkan mit 42°C, sodass wir uns mit Wasserflaschen abduschen mussten. Endlich kam nach 2 Stunden der langersehnte Zug, auf den wir uns so gefreut hatten: Er wird klimatisiert sein und der Fahrtwind wird uns um die Ohren blasen.

- Klimaanalge im Zug? Nein.
- Kann man die Fenster mehr als einen kleinen Spalt öffnen? Nein.
- Konnte man das Fenster vor unserem Abteil überaupt öffnen? Nein.
- Kann man aus den von Kondenswasser triefenden Scheiben in die schöne Natur schauen? Nein.

- Irgendwo hinter diesen Bergen verstecke ich mich -
Alles was man konnte war, sich den Sitz auszuziehen, nasse Handtücher auf den Kopf zu legen, dahinvegetieren und darauf warten, dass ein Mensch vorbeiläuft und einen mit einem Hauch von Luftzug beschert. Daher gibt es davon leider kein Foto. So fuhren wir 5 Stunden bei geschätzten 48°C in einem Zug, in dem Rauchverbot ein Fremdwort zu sein scheint.
Doch auch das ging vorbei, sodass wir nach 27,5h Zugfahrt dann endlich Sarajevo erreicht hatten und glücklicher Weise gleich in unsere Wohnung gebracht wurden.
Hier wohne ich jetzt mit 8 anderen Freiwilligen und besuche für 3 Wochen einen bosnisch- Sprachkurs. Doch darüber im nächsten Eintrag mehr...

Liebe Grüße aus der bosnischen Hauptstadt von Johanna :-)

09 August 2012

Abschied nehmen


 - Abschiedsfeier -

 Am 26. Juli hieß es für mich Abschied nehmen. Nachdem ich am Vortag mit allen meinen wichtigsten Freunden nochmal eine unglaublich gelungene Abschiedsfeier hatte kamen alle nochmal zum Bahnhof. Merkwürdig, das alles für ein Jahr nicht mehr zu sehen, war es doch mein Leben lang mein Alltag. Doch in den Zug musste ich dennoch steigen und nach einigen Tränen ging es dann los zum Ausreiseseminar in Quetzdölsdorf, einem alternativen Dorf in der Nähe von Halle. 

- Dimmensionen meines Gepäcks -
Die Fahrt dorthin wurde mein erstes  "Abenteuer", auf dem ich beweisen musste, dass ich für die große weite Welt gewappnet bin. Denn die 
 Internetseite der Bahn hatte mir verschwiegen, dass man in Landsberg 25 Minuten ohne Schatten auf Stolpersteinen bergauf zur Bushaltestelle laufen muss … das ganze natürlich mit meiner 60-Liter- Kraxe auf dem Rücken und einem Koffer, der aussieht als wäre er in einen Computer eingegescannt, vergrößert und wieder ausgedruckt. Dennoch kam ich dann, wenn auch als Letzte, unversehrt an. 


- Schloss in Quetz inklusive Seminarraum -
Wie immer war ich das Küken der Gruppe, die aus mehreren Studenten mit abgeschlossenem Bachelor und ein paar Abiturienten, die auf die 20 zugehen, bestand. Aber ich muss sagen, dass das sehr bereichernd für mich war und mich um einiges weiter gebracht hat. Gabi, einer der beiden Teamerinnen, hatte ihren Hund Püppi mitgebracht. Doch Püppi sah eher wie ein Pferd als wie eine Püppi aus. Mit meiner chronischen Hundepanik , die ich als Kind hatte, wäre ich wahrscheinlich sofort wieder gefahren, aber zum Glück bin ich jetzt „groß und tapfer“. 

Die letzen Tage verbrachte ich dann in Halle und bekam am Abend vor der Abreise nochmals Besuch von Vivi (meiner besten Freundin), Domi (meinem Freund) und Hannes (einem meiner besten Freunde). Leider schliefen Vivi und ich erst halb 5 ein, sodass ich den Tag der Abreise mit 1,5h Schlaf bestehen musste. Doch die Aufregung pumpte genug Adrenalin in meinen Körper, sodass ich keine Müdigkeit verspürte.
Trotz einiger Komplikationen bearbeiteten wir im Seminar viele interessante politische Themen, sodass ich mit lauter Tatendrang am 4. August in die große Welt fahren durfte.
Auch am Bahnhof in Halle waren dann nochmal zur endgültigen Abreise einige Leute, die mir wunderschöne Geschenke mitbrachten. Unter einigen Tränen hieß es dann Zugtür auf, Johanna + Gepäck rein, Zugtür zu und los.

Doch auch wenn ich jetzt ein Jahr von allen Menschen getrennt bin, deren Wichtigkeit für mein Leben mir in der letzter Zeit immer bewusster wurde, freute ich mich auch sehr auf Bosnien...